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Catherine Leutenegger, Autorin unseres Key Visual Bildes.

1) Könntest du dein Projekt in wenigen Worten beschreiben?

Für die FFL zeige ich zwei immersive Installationen, die mit Wissenschaft und neuen Technologien zu tun haben: ein Video in Schleife auf einem Bildschirm in Kombination mit zwei Leuchtkästen. Vom unendlich Kleinen bis zum unendlich Grossen lädt die Videoinstallation mit dem Titel „Infinity Room“ – in der geschaffene (oder gefundene) Bilder und neu angeeignete Bilder zusammenkommen – dazu ein, in die faszinierende Welt der wissenschaftlichen Forschung an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) einzutauchen.

Neben meinem Langzeitwerk New Artificiality untersuche ich in mehreren Kapiteln das bedeutende Aufkommen und die Weiterentwicklung der 3D-Drucktechnologien. Die Leuchtkästen zeigen das faszinierende Potenzial der additiven Fertigung in den Biowissenschaften und der Medizin. In 10 bis 20 Jahren könnte die Technologie in der regenerativen Medizin eingesetzt werden, um funktionierende Organe für die Implantation zu schaffen. Bioprinting ist in gewisser Weise wie „Gott spielen“.

Das 3D-Bioprinting stellt uns vor die Frage, wie wir Menschen uns selbst sehen werden, wenn unsere Körperteile mit der gleichen Leichtigkeit und Zweckmässigkeit gedruckt werden können wie die Elemente eines Gegenstands oder Gebäudes.

2) Was ist das Besondere daran?

Ich denke, dass diese Projekte angesichts der aktuellen sozialen und ökologischen Probleme, die wir derzeit erleben, zur rechten Zeit kommen. Technologien prägen unsere Gesellschaft heute und ganz sicher auch morgen. Sie werden in dem verzweifelten Versuch entwickelt, unser menschliches Dasein zu erweitern und unsere Umwelt zu kontrollieren – zum Guten oder zum Schlechten? Dies ist wahrscheinlich das grosse Paradoxon der modernen Zeit.

Wird die Entwicklung der Technologien die Ressource für die Lösung der größten Herausforderungen der Menschheit sein oder die Quelle für unseren Untergang? Ist es nicht ein Widerspruch, der uns vor ein scheinbar unlösbares Rätsel stellt: Die Quelle unseres Fortschritts könnte die Quelle unseres Untergangs sein? Meine Arbeit wirft Fragen zur Zuverlässigkeit und Stabilität der Wissenschaft auf, die sich dennoch mit scheinbar unbegrenztem Potenzial weiterentwickelt.

3) Was gefällt Ihnen an der Fotografie?


Der Prozess der Untersuchung, das Eintauchen in ein Thema und das anschließende Analysieren und Beobachten, um es visuell umzusetzen. Das schafft Raum für Reflexion, Verbindung und Meditation. Ich glaube, wir leben in einem sehr einzigartigen und spannenden Moment in der Geschichte der Fotografie. Das Medium wird immer schwieriger zu definieren. Durch die digitalen Fortschritte erweitern sich die Horizonte und Möglichkeiten ständig. Aus den Technologien entstehen neue Sprachen und Ästhetiken. Die Fotografie reizt mich durch ihre ambivalente Einfachheit und Komplexität. Sie ist eine plurale und entwicklungsfähige Sprache und ein großartiger Begleiter, um meine unstillbare Neugier zu stillen!

4) Was hilft dir am meisten bei deinem künstlerischen Fortschritt?

Aus meiner Komfortzone herauszukommen, indem ich mit neuen Werkzeugen experimentiere, um Bilder mit Hilfe von wissenschaftlichen Instrumenten (Scannern, Mikroskopen, künstlicher Intelligenz, computergestützter Bildgebung) zusätzlich zu meinen herkömmlichen Kameras zu erzeugen. Ich denke mehr und mehr über die endgültige Form der Installation meiner Werke und die Erfahrung, die man als Betrachter macht, nach. Diese Aspekte spielen in meinem künstlerischen Prozess zunehmend eine wichtige Rolle. Ich lerne neue Leute aus verschiedenen Bereichen kennen, um meine Praxis mit ihrem Fachwissen zu bereichern und neue Dialoge und Echos zu schaffen. Derzeit versuche ich, Brücken zwischen Kunst und Wissenschaft zu bauen, indem ich gemeinsame Projekte mit Forscher:innen und Wissenschaftler:innen realisiere.

5) Was denkst du über das Fotofestival Lenzburg?


Zunächst einmal fühle ich mich sehr geehrt, Teil dieser kommenden Ausgabe zu sein. Ich finde es grossartig, etablierte und aufstrebende Künstler zu einem gemeinsamen und aktuellen Thema zusammenzubringen. Ein Thema, das mit den aktuellen Herausforderungen zu tun hat, mit denen wir alle heute konfrontiert sind. Mir gefällt auch die Tatsache, dass die Veranstaltungsorte auf verschiedene Plätze mit unterschiedlichen Charakteren und Atmosphären verteilt sind. Ich bin sehr neugierig darauf, historische Orte zu entdecken, die mit zeitgenössischer Fotografie in Dialog treten.

6) Warum hast du die Fotografie als Beruf gewählt?

Die Fotografie oder Kunst im Allgemeinen war für mich immer ein Rückzugsraum. Schon in jungen Jahren hatte ich das Bedürfnis, einen Ort zu finden, an dem ich meine Fantasie und meine Gedanken entfalten kann. Es ist sehr anregend, eine Berufung zu haben, die ein guter Vorwand ist, um neue Orte und Menschen kennenzulernen.

Einerseits ist es von unschätzbarem Wert, etwas Sinnvolles zu tun, das dem eigenen Leben neuen Schwung und Weisheit verleiht, indem man ständig lernt und sich mit neuen Umgebungen auseinandersetzt. Andererseits ist es ein ziemlicher finanzieller Kampf; das ist ein häufiges Problem bei künstlerischen Berufen.

7) Was war dein „Bildungsweg“? 


Ich habe Kunstgeschichte und Bildende Kunst am Gymnasium studiert und dann Visuelle Kommunikation (Spezialisierung Fotografie) an der Universität für Kunst und Design (ECAL).

8) Letzte Frage – um das Ganze etwas aufzulockern 😊 – was war zuerst da: das Huhn oder das Ei?

Ich würde sagen, das Ei war zuerst da, aber dieses Ei stammte von einem anderen Tier und hat sich anders entwickelt… In diesem speziellen Fall könnte die Wissenschaft sicher eine Ressource sein, um uns aufzuklären.

Herzlichen Dank, Catherine!

Mehr über Catherine und ihre Arbeit erfährst du hier.